Erfahrungsbericht: „Fastenwandern auf Mallorca“


Fastenwandern auf Mallorca

Nach der Ochsentour gibt es weder Tapas noch Rotwein: Fastenwandern auf Mallorca. Ob das wirklich Spaß macht? Unser Reporter Hans Wille hat 13 Tage lang durchgehalten.

 

„Viel Erfolg im Hexenkessel“, schmunzelt mein Freund am Flughafen und drückt seinen Wohlstandsbauch an meinen. Er hatte mich gewarnt: Ich werde „nur esoterische Frauen“ treffen bei dem Versuch, 13 Tage lang in einer Gruppe zu wandern – ohne einen Bissen zu essen. Mit nichts als drei Liter Wasser im Rucksack. Fastenleiter Frank Ahlers hatte mir versprochen: „Gerade wegen der Bewegung bekommt man keinen Hunger. Der Körper geht nämlich an die Reserven.“

Am ersten Morgen wache ich auf im „Hotel Pinos Playa“ mit Blick auf die Cala Santanyí. Und stelle fest: Ich bin tatsächlich der einzige Mann unter 17 Frauen. Mein Magen rebelliert, der Schädel dröhnt. Weder Alkohol noch Nikotin oder Aspirin gibt es ab jetzt, sondern Einlauf, Bittersalz und Heilerde.

Ich quäle mich um 7 Uhr zum Strand und bringe meinen Kreislauf mit Yoga und Stretching in Schwung. Nach der täglichen Gymnastik gibt es einen frisch gepressten Saft aus Orange, Mango oder Aprikose. Dazu viel Wasser und Kräutertees mit Namen wie „Alles wird gut“ oder „Oma Janssens Kräutergarten“. Mindestens vier Liter täglich sollen wir trinken.

Dann endlich starten wir zur ersten Wanderung durch das hügelige Südostmallorca. Fünf Stunden durch Pinienwälder und Mohnblumenfelder. Frank gibt eine Zitronenscheibe aus. Der saure Snack ist eine willkommene Geschmacksabwechslung. In den kommenden Tagen wird die Zitronenpause zum kleinen Glück der Wandergruppe. Mittags kehren wir zum Hotel zurück, tatsächlich ohne Hunger. Ich lege mich für einen Moment aufs Bett – und wache Stunden später wieder auf, rechtzeitig zum Abendessen.

Die Suppe von ausgekochtem Gemüse stärkt spürbar Körper und Geist, meine Migräne verfliegt. „Bis zu 195 Kalorien sind erlaubt“, erklärt Ahlers, „alles, was darüber hinausgeht, ist kein Fasten mehr, sondern eine Diät. Und das führt dann ja bekanntlich zum Hungergefühl, weil man sich wieder im normalen Stoffwechsel bewegt.“

Am folgenden Tag droht die erste Bergwanderung. 600 Höhenmeter hoch zum Puig Tomir und wieder zurück. Hier zeigt sich, warum die Veranstalter bergtaugliche Wanderstiefel und eine solide Grundkondition voraussetzen. In der Nachhut kreisen die Gespräche zunehmend ums Essen, die Fantasie kocht immer opulentere Rezepte in den Köpfen. Und mir geht die Selbstkasteiung bereits auf den Keks.

Die Bergtour wird für manche zur Grenzerfahrung, fast alle schlafen nach dem Sechs-Stunden-Marsch im Bus ein. „Da bleibt keine Kraft für esoterischen Hokuspokus“, simse ich an meinen Freund, genieße die ehrliche Erschöpfung und den heißen „Alles wird gut“-Tee.

Der nächste Tag ist wanderfrei. Die Frauen gehen shoppen und ich genieße die Ruhe am Strand. Bis ich merke, dass auch ich ständig ans Essen denke. Nicht dass ich Hunger hätte, aber mit der Langeweile kommt der Appetit. Und die Zweifel, ob ich mir das noch neun Urlaubstage antun will. Dabei hatte ich bislang kein Hungergefühl. Mir fehlt heute die Bewegung.

Fastenwandern ist innerer Kannibalismus, der Körper verbrennt das eingelagerte Fett. Wenn er denn gefordert wird. „Man kann ruhig zwei Tafeln Schokolade am Tag essen, wenn man sich entsprechend viel bewegt“, so das Credo von Ahlers beim abendlichen Ernährungsvortrag. „Es gibt nur zwei Stellschrauben für die Gewichtskontrolle: weniger Essen oder mehr Sport.“

Nach der zweiten Bergwanderung mit alpiner Schwierigkeit hält meine Hose nur noch mit Gürtel. Ich habe die Fastenkrise nach dem faulen Strandtag überwunden und freue mich, zusammen mit drei weiteren Teilnehmerinnen eine zweite Woche zu bleiben. Meine Sinne sind geschärft, ich bin konzentrierter und die Laune steigt in dem Maße, in dem ich den Gürtel enger schnallen kann.

Tags darauf zeigt sich schon bei der ersten Wanderung – derselben wie eine Woche zuvor – dass die neue Gruppe viel trainierter ist. Im Schnitt sind wir unter 40 Jahre alt, wandern schneller und mit weniger Pausen. Mir kommt das entgegen, ich bin im Fastenwandern angekommen und könnte längere Tagestouren vertragen. Und diesmal sind sogar vier Männer dabei.

Der Einbruch kommt wieder am Ruhetag. Diesmal gehe ich extra mit zum Einkaufsbummel. Dennoch: Nach zehn Tagen beginnt mich das Fasten zu langweilen. Ich habe mir bewiesen, dass ich es kann. Ich will kein Wasser mehr trinken und auch keinen Kräutertee. Jedes Straßencafé lacht mich an, der Mandelkuchen beim Bäcker und der Serrano nebenan.

„Gehen wir vom Flughafen aus zum Italiener oder in die Tapas-Bar?“ In seiner SMS erinnert mich mein Freund daran, dass ich erst einmal das Fastenbrechen hinter mich bringen muss. Woher weiß der Schuft bloß, dass man nach der ganzen Prozedur etwa ein Drittel der Fastentage als Aufbauzeit einplanen muss? Zunächst nur Obst, später gekochtes Gemüse und erst am letzten Aufbautag Fisch, Fleisch und Eier. Zum Abfasten am letzten Morgen erhält jeder einen Apfel. Ich wusste nicht, wie köstlich diese Frucht schmecken kann. Und wie satt sie macht.

Meine Reise zu mir ist beendet. Die Tapas am dritten Abend in Hamburg haben so gut geschmeckt wie lange nicht mehr. Tees meide ich seitdem. Bis zum kommenden Frühjahr. Dann fahre ich wieder zum Fastenwandern. Aber nur eine Woche. In der zweiten mache ich Gourmetwandern. Vielleicht kann ich so meinen Freund zum Mitmachen überreden. Meine zehn Kilo weniger Gewicht imponieren ihm.

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